Das Hotel New Hampshire

AUTOR_IN: John Irving
VERLAG: Diogenes Verlag
GENRE: Roman, Fiktion
SEITENZAHL: 597 Seiten
ISBN: 9783257211948
PREIS: 14,00 €

„Bleib immer weg von offenen Fenstern.“

Zitat S. 597

Klappentext
Eine gefühlvolle Familiengeschichte, in der motorradfahrende und feministische Bären, weiße Vergewaltiger und schwarze Rächer, ein Wiener Hotel voller Huren und Anarchisten, ein Familienhund mit Flatulenz im Endstadium, Arthur Schnitzler, Moby Dick, der große Gatsby, Gewichtheber, Geschwisterliebe und Freud vorkommen – nicht ›der‹ Freud, sondern Freud der Bärenführer.


Meinung

Oh Hotel New Hampshire, was hast du nur mit mir gemacht? Nie im Leben hätte ich gedacht, dass das Buch so ist, wie es ist und nie im Leben hätte ich gedacht, dass es mir mal so am Herzen liegen wird.

Das Hotel New Hampshire war mein erster Roman von John Irving, aber sicher nicht der Letzte. Seine Schreibweise hat was ganz besonderes und hat mich mit Unmengen an Emotionen zurückgelassen.
John Irving kann gekonnt Szenerien durch Worte in Bilder umwandeln. Nicht nur einmal hab ich mir die beschriebenen Geschehnisse perfekt vor meinem inneren Auge vorstellen können. Der Autor und der Protagonist, aus dessen Persektive das Buch geschrieben ist, tragen den selben Namen und stammen auch beide aus New Hampshire (Exeter und Dairy). Vielleicht hat das Buch auch leicht Autofiktive Züge, aber das weiß ich nicht genau. Trotzdem hat mich das Wissen um die gleichen Namen oft genug bei Szenen schmunzeln lasssen, weil ich mich immer wieder fragen musste „Ist das dem echten John vielleicht auch passiert?“.

Wie soll ich das am besten Beschreiben. Wirklich Spannung aufbauen konnte der Roman für mich nicht, aber irgendwie auch doch. Aber würde ich es Spannung nennen? Ich glaube genau das will der Roman. Verwirren und das mehr als einmal.
Die vielen Handlungsstränge und Geschehnisse hatten ihre ganz eigene Art bei mir Emotionen auszulösen. Allerdings kann ich es John Irving immer noch nicht verzeihen, dass er eine, für mich doch wichtige und schmerzhafte Szene, nur so kurz abgehandelt hat. Und ich rede hier nicht von „nur“ ein paar Seiten, sondern von NUR ein paar Sätzen. Klar hat der Autor eine ganz eigene skurile und groteske Art mit gewissen Situationen umzugehen, das Buch ist das beste Beispiel dafür, aber das war mir dann doch etwas zu grotesk.
Apropo skuril. Wisst ihr, das Buch ist reine Fiktion und vieles davon ist zu merkwürdig, als das es wirklich geschehen könnte. Aber dennoch kam es mir so echt vor. Als würde irgendwo in Amerika, im Bundesstaat New Hampshire, ein kleiner Junge namens John mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in einem verlassenem Hotel sitzen und darauf warten, dass ein Bär durch die Tür hereinspaziert.
Oft genug war ich von den Geschehnissen in dem Buch gefesselt und hab gar nicht schnell genug verstanden, was da gerade mit mir passiert. Ich habe gelacht, geweint, war wütend, habe vermisst und geliebt. Und das in jedem einzelnen Kapitel. Auf eine absurde Art kann John Irving seine LeserInnen dazu bringen alles an ihrem Gefühlsrepertoire auszuschöpfen und -zuleben.
Wenn ich jetzt dasitze und an das Buch zurückdenke wird mir warm ums Herz. Ja ich habe quasi Sehnsucht danach und will es gleich noch einmal lesen. Nochmal in diese wundersame Welt in New Hampshire tauchen und alles mit den Charakteren auf ein Neues er- und durchleben.

Ach ihr mir so vertrauten Charaktere. Ich weiß gar nicht so recht wo ich anfangen soll.
Jede Person in dieser Geschichte hatte ihren perfekten Platz und war so gut durchdacht, dass man sofort eine Verbindung zu ihnen hatte.
Fangen wir an mit Win, Mary und Iowa Bob. Die Erwachsenen in diesem Roman waren trotz ihres Alters und Wissen oft so kindlich naiv, dass mich ihre Geschichten ser berührt haben. Gerade Iowa Bob, der Großvater des Protagonisten, ist im Laufe der Geschichte eine Art Ersatzgroßvater für mich geworden. Seine Weisheiten, so verrückt und unlogisch sie doch oft waren, haben mich jedes Mal aufgeheitert und vielleicht habe ich auch einige im Hinterkopf behalten.
Win und Mary waren das für mich perfekte Ehepaar. Ihre Kennenlerngeschichte ist genauso romantisch wie ihr Leben als Eltern. Nie haben sie die Liebe für sich verloren und bis zum Schluss waren sie einander treu ergeben.
Nun kommen wir zu John, Franny, Frank, Lilly und Egg. Das Leben der Berry Kinder ist genauso spektakulär, wie ein erster Rummel für ein Kind. Bunt, turbulent und am Ende ist man ganz überwältigt.
Gerade John, nicht nur als Rolle des Protagonisten, ist ganz besonders wichtig für die Geschichte. Gefühlt zu schnell erwachsen geworden muss er sich vielen Hindernissen im Leben stellen. Verschmähte Liebe, das Erste Mal, Prügelein. Er hat es nicht einfach. Aber auch seine Geschwister haben jeder für sich ihr eigenes Paket an Dramatik und Erwachsenwerden mit sich zu schleppen. Und das Buch erzählt schlussendlich nicht nur eine Geschichte, sondern viele. Einige enden zu früh und manche gefühlt nie.
Die restlichen Charaktere (Junior Jones, Susi, Jolanta, Fräulein Fehlgeburt und Freud (nicht DER Freud)) sind, wie auch die Hauptcharaktere, unfassbar liebenswürdig. Mal mehr, mal weniger. Sie alle waren und sind wichtig für die Geschichte und die Weiterentwicklung der Hauptcharaktere. Ohne sie wäre das Buch nur halb so schön und nur halb so interessant. Wer möchte denn nicht von einer Frau im Bärenkostüm Lebensweisheiten erzählt bekommen?

Wie es bei mir immer der Fall ist, habe ich mich nach dem Ende des Romans an den Film gewagt. Tatsächlich hatte ich von vornerein schon keinen hohen Anspruch an die Verfilmung. Die Laufzeit kam mir auch gleich zu Anfang schon zu kurz vor, als dass der Film alle wichtigen Szenen hätte gerecht aufgreifen können. Er war schön anzuschauen und mein Herz hat einen kleinen Satz gemacht, als ich die liebgewonnenen Charaktere auf dem Bildschirm gesehen habe. Doch irgendwie war es nicht das Gleiche, wie das Buch zu lesen. Es war ernüchternd und irgendwie hat der Film mehr Traurigkeit in mir ausgelöst, als er sollte. Eben weil mir so viel aus dem Buch gefehlt hat. Natürlich kann man, wie es halt immer ist, Bücher nicht 1:1 im Film umsetzen. Aber kann man es nicht vielleicht versuchen?

Ich könnte jetzt noch einen halben Roman zu dem Buch schreiben und selbst dann hätte ich das Gefühl, dass ich der Geschichte und ihren Charakteren nicht gerecht werde. Ich kann einfach nicht richtig in Worte fassen, was das Buch für mich ist. Aber es bedeutet mir unglaublich viel und ich hoffe, dass es allen anderen auch so geht.


Fazit

Das Buch ist eine ganz besondere Hommage an das Leben und dessen Höhen und Tiefen. Die Geschichte hat etwas in mir ausgelöst und lässt mich auch jetzt nicht mehr los. Die Charaktere, die Handlungen. Alles unfassbar schön und absurd.
Lasst euch einfach in die Welt von John Irvings Vielleicht-Autofiktion entführen und hinterfragt nicht zu viel. Lasst es geschehen und versinkt in die liebenswerte Welt des Hotel New Hampshire. Und denkt daran: „Bleibt immer weg von offenen Fenstern“.


Bewertung
5/5 Sternen

Bewertung: 5 von 5.
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